Südkurier zu »Sophie Scholl«

Von ROBERT RESCHKE

Das Bildungswerk lädt zu einer szenischen Lesung über Sophie Scholl.

Sophie Scholl, Widerstandskämpferin in der Zeit des nationalsozialistischen Regimes und Mitglied der studentischen Münchner Widerstandsvereinigung „Weiße Rose“, war vom Frühjahr bis zum Herbst 1941 zum Reichsarbeitsdienst (RAD) nach Krauchenwies abkommandiert. Dieser Hinweis in der Geschichte auf Krauchenwies führte zum Kontakt zwischen Lore Seichter-Muràth und Corina Gschell vom Bildungswerk der Seelsorgeeinheit Krauchenwies-Rulfingen und der jüngsten Lesung. In ihrer Zeit in Krauchenwies las Scholl in den Schriften des Kirchenlehrers Augustinus von Hippo, die ihr Orientierung für ihr Leben gaben. Ihre Erlebnisse und Erfahrungen in der NS-Zeit, besonders auch in ihrer Zeit beim RAD in Krauchenwies verstärkten ihre innere Abwehrhaltung gegenüber dem NS-Regime. Die Mitglieder der Weißen Rose, zu denen auch Sophie Scholl gehörte, verfassten, druckten und verteilten unter Lebensgefahr insgesamt sechs Flugblätter, in denen zum Widerstand gegen den Nationalsozialismus aufgerufen wurde. Nachdem sie bei der Auslegung der Flugblätter bei der Gestapo denunziert wurden, wurde Sophie Scholl mit ihrem Bruder am 22. Februar 1943 zum Tode verurteilt und sofort hingerichtet.

Zitate aus Scholls Tagebucheinträgen und Briefen, aus aufgezeichneten Propagandasendungen des totalitären nationalsozialistischen Regimes, und aus eigenen Einlassungen bildeten die Grundlage der szenischen Lesung der Schauspielerin und Autorin Lore Seichter-Muràth im Rathaussaal in Krauchenwies.

Sie brachte ein Stück Geschichte nach Krauchenwies zurück. Nach Portraits über vier „Künstlerinnen“ sind nun „starke Frauen“ an der Reihe. Auftakt war ihr Werk zu Sophie Scholl. Durch die Vortragsweise der wörtlichen Rede wurden die Anwesenden gleichsam zu Mitwissern, zu besten Freunden oder Freundinnen gemacht, die ja bekanntlich bestens über den betroffenen Freund Bescheid wissen. Sich neutral zurückzulehnen und einfach nur zuzuhören war nicht möglich. Lore Seichter-Muràt verstand es, alle gewissermaßen zu Ohrenzeugen, zu Beteiligten, zu Betroffenen zu machen.

Man bekam das Gefühl, ein Zeuge der Vorgänge im Lager des Reichsarbeitsdienstes in Krauchenwies zusammen mit Sophie Scholl zu sein, und gleichzeitig wurde man in die Gedankenwelt der Sophie Scholl versetzt. Gleichsam als kleine Pause zum Luft holen, bevor man wieder Teil der schrecklichen Ereignisse der NS-Zeit wurde. Jeden inhaltlichen Wechsel kündigte Lore Seichter-Muràth an, indem sie die fortlaufende Uhrzeit nannte. Durch dieses dramaturgische Element setzte sie die Anwesenden unter Druck. Das Wissen um die Vorgänge damals in der Vergangenheit und das Miterleben der Gedankengänge Sophie Scholls zur gleichen Zeit, dazu der dramatische Zeitdruck vereinnahmten die Anwesenden gänzlich. Innerlich begann wohl jeder sich zu wehren, gegen die perfide Vereinnahmung der Jugendlichen, gegen den Versuch der Gleichschaltung, gegen den spürbaren Verlust der Freiheit und den Missbrauch für das Hitler-Regime, genau wie Sophie Scholl sich wehrte. Nicht den offensichtlichen Widerstand nach außen sondern den inneren und verdeckten Widerstand hielt Sophie Scholl für praktikabel und wollte sich so ihre Lebenslust und ihre Vorlieben für Natur, Kunst und Kultur verzweifelt bewahren, war eine der Erkenntnisse des Abends.

Nachdem die letzten Worte von Lore Seichter-Muràth verklungen waren, herrschte zunächst eine deutlich spürbare Stille. Jeder brauchte eine kurze Weile, um wieder im „heute“ anzukommen. Der Abend war sehr beeindruckend, wie mehrere der Besucher der Lesung am Ende übereinstimmend bekundeten.

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