Leonberger Kreiszeitung über »Käthe Kollwitz«

Das ergreifende Bild einer besonderen Frau

Lore Seichter-Muráth stellt in einer Text-Collage Käthe Kollwitz vor.
Von Sybille Schurr

Leonberg. Käthe Kollwitz gehört für Lore Seichter-Muráth zu den bedeutendsten Frauen des vergangenen Jahrhunderts. Sie hat der Künstlerin eine szenische Lesung gewidmet, mit der sie am Donnerstag zu Gast war in der Leonberger Stadtbücherei.

Dieses Bekenntnis steht am Ende der Lesung: Sie sei gescheitert mit dem Versuch, das reiche Leben der Künstlerin, die 1945 wenige Tage vor Ende des Zweiten Weltkriegs gestorben ist, in eine Vorstellung von 60 Minuten zu packen, gesteht die Berliner Schauspielerin und Autorin. Deshalb hat sie sich in ihrer essayistischen Collage auf einen kurzen, intensiven Lebensabschnitt beschränkt, der mit dem Tod von Kollwitz“ zweitem Sohn Peter endet. Ein Lebensabschnitt, der aus der Trauer heraus eine tief greifende künstlerische Entwicklung freisetzte.

Tagebucheinträge, Briefe, Erinnerungen fügt die Autorin Seichter-Muráth zusammen und lässt daraus das Bild einer Frau entstehen, die das Leid, das der Erste Weltkrieg über die Menschen gebracht hat, zur überzeugten Pazifistin gemacht hat. Eine, die später den neuen Kriegstreibern, den Nazis, äußerst suspekt und gefährlich war. Die erste Frau in den Reihen Preußischen Akademie der Bildenden Künste erhielt Ausstellungsverbot. Allerdings war ihre künstlerische Aussage schon Kaiser Wilhelm II. nicht geheuer gewesen: Er bezeichnete die Grafikzyklen und Holzschnitte als „Gossenkunst“.

In den Zeiten der Salonmalerei, im Aufbruch vom Impressionimus zum Expressionismus, war sich Käthe Kollwitz der gesellschaftskritischen Aufgabe der Kunst bewusst. Mit dem Zyklus über den Weberaufstand wurde sie bekannt, sie widmete sich in ihren Grafikzyklen den Geknechteten und Unterdrückten des Bauernaufstands, sie sah das Elend der Frauen und Kinder, die in den Fabriken 15 Stunden am Tag schufteten, sah ihre Elendsquartiere in den Berliner Hinterhöfen.

Der Blick von Käthe Kollwitz war geschärft, nicht nur wegen des Berufs ihres Mannes, der sich als Armenarzt am Prenzlauer Berg denen widmete, die von nirgendwo Hilfe erwarten konnten. Käthe Kollwitz, 1867 in Königsberg geboren, stammte aus einer urchristlichen und, daraus resultierend, aus einer ursozialistischen Familie. Ihr Vater war zwar studierter Jurist, hatte aber den Amtseid vrweigert und arbeitete als Maurer, ihr Großvater prangerte das Unrecht einer unterdrückten und ausgebeuteten Arbeiterschaft von der Kanzel herab an.

Vor diesem Hintergrund entwirft Lore Seichter-Muráth das Bild der Ehefrau, Mutter und Künstlerin, die nach dem Tod ihres Sohnes schmerzensvoll ihrem Tagebuch anvertraut: „Die Opfer des Krieges sind immer die Eltern, die Mütter.“ Eine Erfahrung des Leids, die heute noch gilt, beispielsweise auch für die Soldaten, die bei einem „Friedenseinsatz“ ihr Leben lassen.

Starke Texte, ohne Berührungsangst vor Emotionen, sind die Versatzstücke, die Lore Seichter-Muráth braucht, um ihre Zuhörer zu bewegen. Ihre variantenreiche Vortragskunst macht die Szenen lebendig, von ihren Zuhörern fordert sie allerdings auch Aufmerksamkeit und Konzentration, damit sie den roten Faden nicht verlieren; denn die Fäden ihrer Erzählkunst sind eng verwoben. Eigenwillig interpretierte Lieder und politische Pamphlete aus der Zeit vor und während des Ersten Weltkriegs sind in die Texte eingebaut. Es entsteht ein ergreifendes Bild einer erschreckenden Zeit, das die Zuhörer fast atemlos machte.

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